Vom österreichischen Kinderarzt zum „Sangiovese-Goru“ der Maremma.

Meine Weinnase ist ja in dieser Branche vor Nichts und Niemandem sicher. Hier ist einfach alles möglich und wenn es auch noch so unglaubwürdig scheinen mag. Anfang August tauchte ein sehr angenehmer Herr, Namens Dr. Martin Kerres unangemeldet im Weinhaus Kühnel auf. Wie er mitteilte, wäre er in Österreich ein beliebter Kinderarzt gewesen, später Klinikleiter und jetzt „Jungwinzer“ in der Maremma/Toskana. Sein Weingut hieße VALDONICA. Das nicht jeder Winzer als Sohn eines Winzerehepaars geboren wird, war meiner Nase schon bewusst. Und das Kühnels für Quereinsteiger immer offen sind war mir auch klar. Da die Story mit 81 Hektar Weinberg anstatt dem geplanten Wochenendhaus aber schon etwas schräg klang, wurden vorsichtshalber ganz zwanglos Muster bestellt.

Es traf ein Paket mit sechs – nach unserem Geschmack – schön ausgestatteten Musterflaschen ein, begleitet von einigen Zeilen wie diesen:

„Valdonica ist mir passiert, es war nicht Teil meiner Lebensplanung. Als ich in der Toskana nach einem Sommerhäuschen suchte, fand Valdonica mich: Ich war tiefberührt von der paradiesischen Schönheit der Natur hier! Ein paar Jahre danach veränderte sich mein Leben tiefgreifend und ich zog hierher. Valdonica wurde mein Zuhause.“

„Valdonica liegt in den oberen Hügeln der Maremma, in der südlichen Toskana. Der Blick über die Weinberge und die fruchtbare Ebene bis hin zum azurblauen Mittelmeer, öffnet einem das Herz. Hier gedeihen Rebstöcke, die wir organisch – biologisch bewirtschaften. Unsere Spezialität ist die für dieses Gebiet die typische Sangiovese-Traube. Alle unsere Weine reifen in Eichenfässern in unserer neu errichteten Cantina.“

Bis die Probeweine die nötige Ruhe zum degustieren fanden, sammelte ich ein paar Informationen, welche sehr interessant schienen. Die Weinnase fing an sich zu regen und hatte ein sehr positives Bauchgefühl. Auch wenn Sie glauben ich bestehe zu zwei Dritteln aus einem Organ, höre ich doch ab und zu auch auf andere. Ich finde es schlimm genug, wenn unsere ärmliche Industriegesteuerte Nation sich nur noch an Verfallempfehlungen und Entfremdungen von chemischen Zusätzen orientiert. Haben Sie mal den Beipackzettel von einfachen Hustentabletten gelesen? Sie könnten theoretisch auch daran sterben;-) Also folgt die Weinnase mal wieder ihrem Bauchgefühl.

Aber zurück zu dem ehrlichen Produkt WEIN von Valdonica, zu Dr. Kerres und seiner Vision den besten Sangiovese der Maremma zu erzeugen:
Mit einem Minimum an menschlicher Intervention folgt Martin dem Fluss der Natur.

Seine Weinberge

  • – Neu-Pflanzungen in unberührte Naturböden für alle Valdonica Weinberge
  • – Höchste Sangiovese – Rieden der Region (Hier spürt man den Österreicher. Er meint mit Rieden die Weinlagen.)
  • – Maritim geprägtes Mikroklima mit vulkanischen Böden
  • – Regen und der natürliche Tau sind die ausschließliche Bewässerung
  • – Biologisch & Organisch zertifiziert

 

Die Besonderheiten von VALDONICA

Seine Weinberge erstrecken sich bis 500 Höhenmeter und sind somit die höchsten Sangiovese-Rieden der Maremma. Die kühleren Temperaturen in den Bergen ermöglichen längere Reifezeiten für die Trauben. Vom Meer aufsteigende Winde durchlüften die Weinberge, versorgen sie mit Feuchtigkeit und ermöglichen so die ausgewogenen Temperaturen. Seine Trauben reifen im Terroir des früheren Vulkans Sassoforte sowie in den für die Toskana typischen Lehm- und Sandböden. Die Pflege der Vielfalt von Rieden-Typen ist ihm sehr wichtig. Es wurden neun(!) unterschiedliche Typen von Sangiovese, je 2 Typen vom weißen Vermentino und die rote Ciliegiolo-Rebe sehr sorgfältig ausgewählt und entsprechend Terroir und Mikroklima gepflanzt. Allesamt sind autochthone, also in der Toskana heimische Rebsorten. Alle Weinberge sind in unberührte Naturböden gepflanzt. Frei von Pestiziden und Chemikalien aller Art. Massenhaft Raum für jede Riede bietet reichhaltiges Nährangebot. Schneiden, Jäten, Binden, Ernten – alles geschieht hier per Hand. Seine Weine und der Betrieb sind biologisch zertifiziert. Ernten ist der Höhepunkt und zeigt den ersten Erfolg der Arbeit eines Jahres. Entsprechend dem Reifegrad der Trauben und nicht nach Festlegung von Terminen wird die Lese durchgeführt. Hier ahnt die Weinnase schon was sie erwartet. Rebeln (Hier kommt wieder der Österreicher durch. Er meint das Abbeeren oder auch Entrappen der Trauben) und Pressen erfolgt unmittelbar nach der Ernte und oft schon in der Nacht.

Es folgt die spontane Vergärung in kleinen Einheiten

Das Eingehen auf die Individualität der Frucht ist oberste Maxime. Deshalb fermentieren seine Weine in Bottichen und die Maische wird per Hand mehrmals täglich untersetzt.
Für die Vergärung werden keine künstlichen Hefen zugesetzt, sie erfolgt spontan mit natürlichen Hefen der eigenen Weinberge.

Für unsere jungen Weinnasen das Ganze nochmal kurz zum begreifen

Die Rotweintrauben werden angepresst, so entsteht die Maische – mit Schalen, Kernen und natürlich dem Inhalt der Traube. Dieser werden keine Industriehefen zugesetzt, sondern natürliche Hefen aus dem Weinberg. Das Ganze wird nun in unregelmäßigen Abständen verrührt, damit sich alles schön gleichmäßig verteilt.

Ab zur Reifung in die Eichenfässern

Der Reifegrad und Intensität seiner Trauben ermöglichen die Reifung der Weine in 225 l Eichenfässern – alles französische Barriques (Siehe Fässer vor dem Weinhaus Kühnel). Das Alter der verwendeten Eichenfässer wird auf die Trauben abgestimmt – maximal werden sie 5 Jahre verwendet. Der Reifungsprozess in den Fässern wird ständig begleitet. Schlussendlich wählt ein Team die Fässer für jeden unserer 5 Weine sorgfältig aus. Einmal abgefüllt, reifen die Weine 12 – 24 Monate in der Flasche nach, bevor sie in den Verkauf gelangen.

VALDONICA bedeutet Biologisch & Organisch

Die Pflege der Weinberge, die Vergärung, die Reifung, die Lagerung – alle Prozesse folgen biologisch zertifizierten Richtlinien. Der Weinkeller wurde neu errichtet und entspricht den modernsten ökologischen Standards.

Persönliche Anmerkungen von Dr. Martin Kerres

Zertifizierungen vermitteln Kunden oft falsche Eindrücke. Bei organisch zertifizierten Betrieben und Weinen ist es zum Beispiel erlaubt, chemisch bearbeitete Weinberge nach 3 Jahren Übergangszeit als biologisch zu zertifizieren. Das widerspricht unserer Auffassung: Chemieverseuchte Böden sind nicht nach 3 Jahren chemikalienfrei! Übergangszeit: Die Übergangszeit beträgt in der Realität Jahrzehnte! Pflanzungen in Naturböden sind garantiert organisch!

Gäste sind herzlich willkommen

Mit großer Freude öffnet Martin Kerres VALDONICA seinen Gästen. Er ließ Gästezimmer in der Cantina und „Villen“ errichten. Die Bauweise berücksichtigt die modernsten Niedrig-Energie-Konzepte und die verwendeten Materialien sind allesamt völlig natürlich. Die Räume bestechen nicht zuletzt durch feine Details und die wertvollen verwendeten Materialien. Man kommt als Gast und kehrt zurück als Freund. In Valdonica fühlen er und seine Mannschaft sich den traditionellen toskanischen Werten verpflichtet: Weinbau und Gastfreundschaft. Besuchen Sie ihn, genießen Sie seine Weine und lassen Sie sich von der Gegend verzaubern!

Nach gefühlten 25 Seiten meiner Erzählungen zum Weingut, sind nun endlich die Weine fällig. Eine kleine Truppe von Profis und Laien sitzen beieinander. Gespannt entkorken wir die beiden – extra nicht zu kalten.- Weißweine. Sie präsentieren sich wie erwartet kraftvoll. Alle sind sich einig: „Sehr gute Essensbegleiter!“ Die Weinnase war vorbereitet: Es gab Wasser und Baguette;-)) Aber im Ernst: Die beiden Vermentino sind gekonnt gemachte Kraftpakete, die nicht nur zur Mittelmeerküche passen. Wer sie jedoch irgendwo als leichte rassige Weißweine für einen lauschigen Sommerabend empfohlen bekommt sollte sich schleunigst einen fähigeren Weinhändler suchen oder seinen Onlinehändler löschen und sich über seinen Kauf ärgern. Jetzt war die rote Brigade fällig und bereits beim Einstiegswein „arnaio“ zollten dem Ex-Kinderarzt alle anwesenden Respekt. Sicher sind auch Sie erfreut, wenn es für mehr Geld auch deutlich mehr Qualität im Glas gibt. So drastisch wie bei diesen bewundernswerten Weinen habe ich noch nie eine Steigerung erlebt. Immer wenn wir glaubten mehr geht nicht, hatte man für 10,- Euro Aufpreis eine 110%ige Qualitätssteigerung im Glas.

Lieber Dr. Martin Kerres, Du hast über Jahrzehnte vielen geholfen und trotzdem den falschen Job gehabt. Du bist ein begnadeter Winzer mit einem 81 ha großen Herzen!

Gut. Die Weinnase gibt allen preislichen Gegenargumenten Recht. Wir sprechen hier von Weinen zwischen 15,- und 49,- Euro pro Flasche. Aber! Bitte einfach meinen anfänglichen Text nochmals in Ruhe lesen, wirken lassen und erst dann von teuer sprechen. Ein 2CV hat genauso vier Räder wie eine Mercedes S-Klasse und bringt mich von „A“ nach „B“. Nur wie! Das entscheidet beim Wein ebenso die Einstellung zur Qualität und natürlich zum Inhalt des Geldbeutels. Zur Fastenzeit schreit jeder nach Verzicht! Warum nicht die Woche über mal Wasser trinken und am Sonntag zu einem guten, frischen und regionalen Essen den passenden guten Wein genießen? Kühnels kennen viele Studenten, die diese Einstellung leben, obwohl deren Geldbeutel aus Zwiebelleder sich auch eher über einen Wein aus dem Tetrapack freuen würde.
Hier macht es Kühnels wirklich Spaß, als Weinhändler vor Ort einen Preis abzuverlangen, der weit unter dem eines Wiederverkäufers liegt und somit erschwinglich eine besondere Qualität verspricht. Vielleicht ist genau der Student in ein paar Jahren mal Kühnels behandelnder Arzt und die Spritze tut auch nur halb so weh ;-))

Ich freue mich auf Feedback. Bis zur nächsten Entdeckung.

Eure Weinnase

 

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